Kölner Barcamp „Ökologische Nachhaltigkeit in der Kultur“

Von |2023-09-21T18:41:27+02:0021.09.2023|Unterwegs|

Am 1. September fand das erste Barcamp „Ökologische Nachhaltigkeit in der Kultur“ statt. Geladen hatte die Kulturentwicklungsplanung (KEP) der Stadt Köln. Deren Ziel es ist, Perspektiven und Ziele zu erarbeiten, mit welchen die Kölner Kunst und Kulturszene gestärkt und gefördert werden kann. Wir sind der Einladung hierzu gerne gefolgt.

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Sie prägt zunehmend jeden Bereich unseres Lebens, und die Kultur bildet da keine Ausnahme. Umso erfreulicher, dass die Stadt Köln das Thema im Rahmen der 2019 beschlossenen Kulturentwicklungsplanung kontinuierlich unterstützen will. Unter anderem in Form eines Barcamps. Als Veranstaltungsort wurde das Bürger- und Kulturzentrum Stollwerck in der Kölner Südstadt gewählt.

Foyer des Barcamps der Kulturentwicklungsplanung in Köln.

Zum Auftakt erklärte Stefan Charles, Beigeordneter für das Dezernat Kunst und Kultur, dass ein Aktionsnetzwerk aus Berlin die Stadt Köln im Projekt „Köln hoch 3 – Kultur weiterbilden, bilanzieren, transformieren“ bereits unterstützt hat und auch weiterhin begleiten wird. Das Barcamp markierte tatsächlich den offiziellen Start von „Köln hoch 3“. Für dieses Projekt hat das Dezernat eigens eine Stelle eingerichtet. Ziel ist es, Ausstellungen und Aufführungen in unserer Stadt klimafreundlicher zu gestalten. Beteiligt sind insgesamt 18 Kölner Kulturstätten.

Um einen tieferen Einblick in das Thema zu gewähren, folgte im Anschluss ein kurzer, aber aufschlussreicher Impulsvortrag von Dr. Carolin Baedecker vom Wuppertal Institut für anwendungsorientierte Nachhaltigkeitsforschung, einer wissenschaftlichen Einrichtung des Landes NRW. Die Mission des Instituts liegt darin, durch Realexperimente die Forschung an der Schnittstelle von Praxis und Theorie zu fördern.

Ein besonders prägnanter Aspekt ihres Vortrags war der Hinweis auf die Bedeutung, den Klimawandel greifbarer und intuitiver zu machen. Als Beispiel führte sie die „Warming Stripes“ von Ed Hawkins aus dem Jahr 2016 an. Jeder farbige Streifen repräsentiert dabei die durchschnittliche Jahrestemperatur im Vergleich zum Durchschnitt des 20. Jahrhunderts: Blau symbolisiert kältere, Rot wärmere Jahre. Hawkins Designkonzept stieß auf große Resonanz und führte zu einem regelrechten Trend. Seither sind zahlreiche Produkte im „Warming Stripes“-Design erhältlich, darunter Bettwäsche, Handtücher, Flipflops und vieles mehr.

 

Vortrag zum Thema Klimawandel und Climate Stripes der Kulturentwicklungsplanung in Köln.

Im Weiteren hob Dr. Baedecker die Bedeutung der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele hervor. Besonders im Blickpunkt der Kultur stehen die Ziele Nummer 12 („Nachhaltiger Konsum & Produktion“) und 17 („Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“). In Hamburg beispielsweise initiierten Kulturbetriebe das Projekt „Elf zu Null – Hamburger Museen handeln“. Mit Hilfe von Experten legten die beteiligten Museen ihre CO2-Bilanzen fest, um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen. Ein weiteres Projekt, das Dr. Baedecker in diesem Zusammenhanf hervorhob, realisierte die Oper Wuppertal, die in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut ein Selbstanalyse-Tool für die Nachhaltigkeitsbewertung kreierte.

 

Das Thema Nachhaltigkeit kunstvoll inszenieren

Auch die Kunst selbst kann das Thema Nachhaltigkeit in ihren Fokus rücken, wie Carolin Baedecker weiter ausführte. Der erste, der dies eindrücklich tat, war Joseph Beuys, als er 1982 im Rahmen der documenta 7 den Gedanken „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ prägte, um die Bedeutung von Natur und Ökologie im urbanen Raum zu betonen. Beispiele aus der Gegenwart sind das Schauspielhaus Bonn, welches das Buch der Transformationsforscherin Maja Goepel auf die Bühne gebracht hat, oder auch die Ausstellungen „Ökorausch“ und „Between the Trees“ des Kölner Museums für Angewandte Kunst (MAKK). Bei all diesen Realexperimenten gehe es darum, den Raum für den Menschen mit der Natur neu erfahrbar zu machen und so den Dialog zwischen Mensch und Natur durch Kunst und Kultur neu zu definieren. Viele weitere Beispiele zu „Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit“ finden sich auf der gleichnamigen Website.

Dr. Baedecker machte aber auch klar: Um eine nachhaltige Neuausrichtung im Kunst- und Kultursektor zu bewirken, sind sowohl Raum als auch finanzielle Unterstützung unabdingbar. In Sachen „Raum“ hat das Wuppertal Institut in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Design und Kunst der Bergischen Universität Wuppertal und 14 weiteren Partnern, darunter creative.nrw, die Kooperationsplattform Transform.NRW ins Leben gerufen. Dort sollen die Kräfte von Kunst, Kultur und Design gebündelt werden, um nachhaltige Entwicklungen voranzutreiben.

 

Nachhaltigkeit braucht positive Zukunftsbilder

Der zweite Impulsvortrag nahm dann nochmal eine andere Perspektive ein. In ihrer Keynote „Die Kunst der Transformation: Wie sich Kunst, Wissenschaft & Innovation verbinden lassen, um die größten Herausforderungen der Welt zu bewältigen“ stellte Nicole Loeser heraus: Bei den Budgetierungen für nachhaltige Konzepte gibt es unterschiedliche Bewertungen. Die Kultur komme meist zuletzt, die Wirtschaft zuerst. Dabei sei die Kunst wesentlich, wenn es um das Darstellen und kritische Hinterfragen gehe. Aufgabe der Wissenschaft sei es, dazu zu forschen. Bleibt die herausfordernde Frage: Wie bekommt man Kultur, Wissenschaft und dann noch die daraus resultierende Innovation zusammen? Nicole Loeser appellierte in ihrem Vortrag dafür, systemisch zu denken und neue Ideen zur Schaffung von Kooperation zu entwickeln. Aus dieser Motivation heraus hat sie das Institute for Art and Innovation (IFAI) in Berlin mitgegründet. Dort kreieren multistake Kooperationen auf EU-Ebene große Visionen. Im Rahmen des IFAI-Projekts „Art for Futures Labs“ etwa würden positive Zukunftsbilder geschaffen. In den Workshops zeige sich deutlich, so Loeser, dass den Teilnehmenden dies kaum noch gelinge – auch, weil ihnen das Wissen über innovative Konzepte schlicht fehle. Genau da setzt ein weiteres Projekt von IFAI namens „Green Education in Media“ an. Denn, so eine weitere Erfahrung von Nicole Loeser: Bei den Lehrenden an unseren Hochschulen fehle es häufig an Wissen zu neuer Technik und neuen Formaten.

Mit ihrem persönlichen Statement „Kunst ist die Wissenschaft der Freiheit“ und dem Hinweis auf den Satz von Gerhard Richter „Kunst ist die höchste Form der Hoffnung“ (Gerhard Richter) rundete Nicole Loeser ihren eindrucksvollen Vortrag ab.

 

Veranstaltung der Kulturentwicklungsplanung in Köln.

 

Nachhaltige Konzepte und Ideen in die Kommunikation miteinbeziehen

In nahezu allen Sessions, an denen ich teilnahm, war das Thema „Kommunikation“ präsent. Einige Mitarbeitende der Kölner Kulturbetriebe überlegten, wie die Öffentlichkeit ihre Bestrebungen hin zu mehr Nachhaltigkeit wohl wahrnehmen und ob sie ausreichend informiert würden. Andere zweifelten, ob die Publika daran denn überhaupt interessiert seien. Viele waren aber überzeugt, dass Social Media ihnen eine unschätzbare Möglichkeit bietet, Gäste und Besuchende auf ihrem Weg zu einer nachhaltigen Kunst- und Kulturlandschaft in Köln mitzunehmen. Dem stimme ich voll und ganz zu. Dank Plattformen wie Instagram können Kulturstätten sowohl neue als auch jüngere Zielgruppen ansprechen und gleichzeitig ältere Generationen für den gesellschaftlichen Impact des Themas sensibilisieren.

Besucher*innen von Kulturstätten reflektieren dabei wahrscheinlich selten, welche Ressourcen – Zeit, Energie und Geld – benötigt werden, um den Kulturbetrieb sukzessive nachhaltiger zu gestalten. Dies wurde mir selbst in der Session „Nachhaltigkeitskultur Köln in der Clubszene“ besonders bewusst. So hat beispielsweise die Initiative „Zukunft feiern“ mit ihrem „Clubtopia: Feiern, als gäbe es ein Morgen“-Ansatz ein ausführliches, kostenfreies Nachhaltigkeitskonzept für die Berliner Clubszene erarbeitet. Der daraus resultierende Code of Conduct wird von immer mehr Clubbetreiber*innen angenommen. Meiner Ansicht nach sollten die beteiligten Clubs dieses Thema fest in ihre Kommunikationsstrategie integrieren. In der Session wurde dieser von mir geäußerte Vorschlag dahingehend kritisiert, dass dies zusätzlichen Aufwand und somit Kosten verursache. Mein Gegenargument: Wenn es bereits eine gemeinsame Initiative gibt, könnte diese auch eine Art gemeinsame Kommunikationsstrategie für die Clubbetreiber*innen entwickeln – etwa durch visuelle Vorlagen, die dann von allen genutzt werden können. Auch das wäre nachhaltig.

 

Gemeinsam, kontinuierlich und strukturiert

In der Kunst- und Kulturszene ist Nachhaltigkeit mittlerweile unausweichlich. Doch wie diese Herausforderung konkret angegangen werden soll, scheint vielen noch unklar zu sein. Das überrascht mich nicht, denn ein nachhaltiges Vorgehen ist ein komplexes, anspruchsvolles und stetiges Unterfangen. Der Schlüssel liegt aus meiner Sicht im gemeinsamen Handeln und im kontinuierlichen Austausch.

Das Barcamp hat hierfür einen Ausgangspunkt geschaffen. Es hat die Bedeutung des stetigen Dialogs zwischen den Kölner Kulturbetrieben und den darin engagierten Personen hervorgehoben. Eine offene Frage für mich ist jedoch, ob es nicht auch klare Richtlinien seitens der Stadt geben sollte, die den Akteuren im Kulturbereich einen Rahmen für ihre Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit bieten. Die Gründung der Koordinationsstelle „Nachhaltigkeit in der Kultur“ könnte bereits ein Schritt in diese Richtung sein.

Wie klang „Rheingold“ bei der Erstaufführung 1854?

Von |2023-08-23T16:22:12+02:0023.08.2023|Oper|

Historisch informierte Fassung der Wagner-Oper in der Kölner Philharmonie

Während man in Bayreuth dieses Jahr auf Digitalisierung setzt und Augmented Reality-Brillen bei den Wagner-Festspielen verteilt (leider nur an einen Teil des Publikums), zeigte uns am vergangenen Wochenende das Projekt „Wagner-Lesarten“ in einem Konzert in der Kölner Philharmonie, wie Wagner möglicherweise vor 141 Jahren geklungen haben mag. Ganz ohne Bühnenbild und Regie, nur in konzertanter Aufführung unter dem Dirigat von Kent Nagano. 

Spontan eingeladen von einem befreundeten Nachbarn war ich auf die Aufführung am vergangenen Freitag wenig vorbereitet. Wagners „Rheingold“ habe ich bisher nie gehört oder gesehen (auch der Nachbar nicht), überhaupt ist mir von Wagner bislang nur „Tannhäuser“ „untergekommen“, da ich mich an den Ring bislang nicht so recht getraut habe. Jetzt also „Rheingold“, das Vorspiel zum Ring des Nibelungen. Wir sind gespannt. 

Das Projekt „Wagner-Lesarten“ erarbeitet die Aufführungshistorie 

In der Einführung zur Oper erfahren wir mehr über den Hintergrund der Aufführung: 2017 starteten Concerto Köln, die Kunststiftung Köln und der Dirigent Kent Nagano das Projekt „Wagner-Lesarten“. Ziel war es, in einem wissenschaftlich-künstlerischen Rahmen eine sogenannte „historisch informierte“ Fassung von „Rheingold“ zu erarbeiten und auf die Bühne zu bringen. Der Begriff „historisch informiert“ bedeutet, dass möglichst umfassend recherchiert wird, wie „Rheingold“ zu Lebzeiten Wagners aufgeführt wurde. Diese Erkenntnisse werden in eine aktuell aufführbare und akzeptable Fassung transformiert. 

Das Gesamtprojekt dauerte (durch Corona verlängert) von 2017 bis 2021. Es wurden historische Instrumente gebaut oder bestehende Instrumente modifiziert, Workshops und historische Forschungsarbeiten zum damaligen Verständnis von Gesang und Sprache wurden durchgeführt und möglichst viele Lücken der Rezensionsgeschichte gefüllt. Ein ebenso spannendes wie umfangreiches Projekt. 

Das Ergebnis kam zuerst 2021 auf die Bühne. Am vergangenen Wochenende wurde es erneut vom Dresdner Festspielorchester unter der Leitung von Kent Nagano aufgeführt.

Das Orchester sowie Darsteller und Darstellerinnen der Wagner-Oper Rheingold auf der Bühne

Dominik Köninger (Donner), Tansel Akzeybek (Froh), Annika Schlicht (Fricka), Simon Bailey (Wotan) und Mauro Peter (Loge). Foto: ©KölnMusik / Jörn Neumann

Ein Abend mit besonderem Klang – und besonderen Herausforderungen 

Den besonderen Klang dieses Abends behält man lange in Erinnerung. Wagner bietet für seine Oper „Rheingold“ ein großes Orchester auf. Allein vier Harfen und vier Schlagwerke sind auf der Bühne vertreten. Dazu die vielen teils historisch nachgebauten Blechblas-Instrumente, die für voluminösen und teilweise mystischen Klang sorgen. Ein Orchester mit „Wumms“. 

Anders als bei einer regulären Opernaufführung verschwinden die Musiker*innen nicht im Orchestergraben, sondern bilden das Zentrum des Geschehens. Die Musik und der Gesang dominieren den Abend, in keiner Weise abgelenkt durch Bühnenbild oder Kostüme. Für mich als „Wagner-Einsteigerin“ hat das sowohl Vor- als auch Nachteile.  

Die Darbietung ohne einen modernen Regie-Ansatz erlaubt es, Wagner ganz „pur“ und darüber hinaus möglichst nah am historischen Original kennenzulernen. Das ist beeindruckend und besonders. Man ist ganz auf die Musik konzentriert und bekommt durch die überragende Leistung von Orchester, Sängerinnen und Sängern ein sehr gutes Verständnis von den großen musikalischen Herausforderungen einer Wagner-Oper.  

Dabei fällt auf, wie szenenbeschreibend und lautmalend Wagner „Rheingold“ komponiert hat. Wenn z. B. von Donner die Rede ist, wird ein Donnerlaut produziert, wenn es um die Rhein-Nixen geht, hört man Gewässer-Klänge. Wagners Musik bleibt immer ganz nah am Geschehen und scheint in erster Linie darauf ausgelegt, die Handlung zu untermalen, zu verstärken und mit starken Emotionen zu verbinden. Das ist spannend, führt aber auch dazu, dass die Musik oftmals wenig gefällig daherkommt und irgendwie (man verzeihe mir als Laie diese Beschreibung) nicht so ohne Weiteres durchhörbar anmutet. 

Auch Handlung und Libretto der Oper werden durch keine Bühnen-Dramaturgie „abgemildert“ und müssen ebenso wie die Musik für sich selbst sprechen. Das wiederum ist für mich eine echte Herausforderung und bereitet mir Schwierigkeiten. 

Die Handlung der Oper „Rheingold“ 

Kurz zur Handlung: Die drei Nixen Wellgunde, Floßhilde und Woglinde tollen im Fluss Rhein, ihrem Element. Zwerg Alberich beobachtet und begehrt sie. Sie locken ihn zunächst, dann stoßen sie ihn zurück. Im Rhein glänzt das Rheingold, das die Nixen bewachen sollen. Alberich – enttäuscht von der Zurückweisung durch die Nixen – verflucht die Liebe und stiehlt das Gold. Dadurch, dass er der Liebe abgeschworen hat, kann er einen Ring aus dem Gold schmieden, der ihm die Weltherrschaft verleiht. 

Zeitgleich stellt Gott Wotan auf Walhall seine Burg fertig. Er hat sie durch die Riesen Fasolt und Fafner bauen lassen. Als Lohn hat er ihnen die Schwester seiner Gattin, die schöne Freia, versprochen. Nun möchte er diesen Lohn nicht zahlen, sondern sucht nach einer Ausflucht aus dem Vertrag. Das gestohlene Gold der Rheintöchter kommt ihm dazu gerade recht. Er will es Alberich wieder entreißen und damit die Riesen bezahlen. 

Wotan gelingt es, das Gold zu rauben und Alberich auch den Ring, der ihm Macht verleiht, abzunehmen. Alberich verflucht den Ring und prophezeit, dass er jedem den Tod bringt, der ihn besitzt. Das erbeutete Gold übergibt Wotan den Riesen, doch diese fordern auch den Ring. Sofort streiten sie sich über dessen Besitz und Fafner erschlägt Fasolt.  

In der letzten Szene ziehen Wotan und die übrigen Götter in Walhall ein und es kündigt sich ihr baldiger Untergang an.

Drei Opernsängerinnen in der Kölner Philharmonie

Eva Vogel (Floßhilde), Ida Aldrian (Wellgunde) und Ania Vegry (Woglinde). Foto: ©KölnMusik / Jörn Neumann

Überragende Künstler erleichtern die schwierige Annäherung an Wagner 

Operngeschichten sind ja selten besonders herausragend und vielmals etwas bizarr, aber es fällt mir diesmal besonders schwer, der Handlung von „Rheingold“ etwas abzugewinnen. Möglicherweise rührt dies auch von dem seltsam anmutenden Libretto, das gleich zu Anfang beginnt mit Sätzen wie: „Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege! Wagalaweia! Wallala, weiala weia!“ oder „Floßhilde, schwimm´! Woglinde flieht: Hilf mir die Fließende fangen.“ Auch hier setzt Wagner stark auf Lautmalerei. Dadurch verwendet er eine Sprache, die zumindest gewöhnungsbedürftig ist. 

Nach 2,5 Stunden Aufführung ohne Pause – eine echte Mammutaufgabe für die Künstler*innen –muss ich sagen, dass ich den Weg zum Wagner-Fan noch nicht gefunden habe. Mein Nachbar übrigens auch nicht. Dennoch war der Abend überaus interessant und künstlerisch ein absolutes Highlight.  

Die fast voll besetzte Philharmonie spendete zu Recht begeisterten Applaus für das überragende Orchester und die komplette Gesangsbesetzung, allen voran Simon Bailey als Wotan, Mauro Peter als Wotans Ratgeber Loge, Annika Schlicht in der Rolle der Göttergattin Fricka und natürlich der Bösewicht Alberich, gesungen von Daniel Schmutzhard.  

Sicher werde ich mich noch ein zweites Mal an Wagners Ring wagen (jetzt will ich es wissen), dann aber eher in einer Opern-Aufführung. Für diejenigen, die die tolle Arbeit des Projektteams „Wagner-Lesarten“ und von Kent Nagano ebenfalls erleben und einen konzertanten Wagner hören möchten: Das Projekt wird fortgesetzt. Im März 2024 kommt „Die Walküre“ auf die Bühne der Philharmonie.

Kölnisches Stadtmuseum: Ausstellung 200 Jahre Kölner Karneval

Von |2023-08-07T10:39:09+02:0021.07.2023|Unterwegs|

D’r Zoch kütt! Unter dem Motto „Thronbesteigung des Helden Carneval“ fand 1823 der erste organisierte Rosenmontagszug in Köln statt. Damals hieß dieser allerdings noch Maskenzug und war eine Reaktion auf das ausufernde Feiern der Kölner zur Fastnacht. Es galt, das bunte Treiben in geordnete Bahnen zu lenken. Gegründet wurde das „Festordnende Komitee“, das wir heute als „Festkomitee Kölner Karneval“ kennen. Was in den 200 Jahren Karnevalsgeschichte seither passierte, erzählt derzeit die Ausstellung „Karneval in Köln. Wie alles begann…“, die vom Kölnischen Stadtmuseum gemeinsam mit dem Festkomitee Kölner Karneval konzipiert wurde.

Wie wurde aus dem „Helden Carneval“ der Prinz und das Dreigestirn? Was bedeutet eigentlich die „Bütt“? Und was hat es mit dem Wort „Alaaf“ auf sich? Über alles das und noch mehr erzählt die Ausstellung in Form einer Zeitreise, welche die Besucher*innen in einem Rundgang durch – wie sollte es anders sein – 11 thematische Stationen zum Kölner Karneval führt.

 

Stadtmuseum zu Gast im MAKK

Mit der Ausstellung zum Jubiläum des Kölner Karnevals ist das Kölnische Stadtmuseum zu Gast im MAKK – dem Museum für Angewandte Kunst Köln. Da das neue Kölnische Stadtmuseum erst im Herbst 2023 mit neuem Museumskonzept seine Türen für Besucher*innen wieder öffnet, musste für die Ausstellung anlässlich des runden Geburtstags des Kölner Karnevals eine Alternative gefunden werden. Das Gute liegt bekanntlich nah. So fand die Ausstellung ihren Platz schließlich im MAKK. Noch bis zum 30. Juli 2023 ist sie dort zu sehen. Und der Besuch lohnt sich!

 

 

Eine Reise zu den Anfängen des Kölner Karnevals

Ich entscheide mich, meinen Besuch mit einer Führung zu verknüpfen. Unter dem Motto „Vom Helden Carneval bis heute – Wie alles seinen Anfang nahm“ werden wir durch die 11 Themen der Ausstellung geführt. Die ersten drei Stationen „Rettet den Karneval“, „Das Festordnende Comite“ und „Einmol Prinz zo sin“ vermitteln einen ersten historischen Überblick zu den Anfängen und der Entwicklung des Kölner Karnevals.

Die Ursprünge des Karnevals finden sich tatsächlich schon mit der Stadtgründung Kölns, also den Römern. Bereits im Mittelalter verkleideten sich die Menschen und feierten die Fastnacht und das sogenannte Mittwinterfest, um Winterdämonen zu vertreiben. Die Feierlichkeiten nahmen jedoch solch ausschweifende Formen an, dass ein Verbot des Karnevals folgte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde dann wieder mit dem Verkleiden begonnen – allerdings mit Regeln und einer sogenannten „Maskenkarte“. Die Kölner*innen mussten sich also eine Karte kaufen, um sich verkleiden zu dürfen.

Eine Gruppe hochgebildeter Männer der damaligen Elite schloss sich daraufhin zusammen, um zu überlegen, wie ein geordneter Karneval aussehen könnte. „Das Festordnende Comite“ war geboren und schuf ein Gesamtkunstwerk mit Einflüssen aus Kölner Traditionen, Italien und seinen Wanderbühnen und dem Niederrhein, wo es bereits den „Held Carneval“ gab. Dieser Zusammenschluss legte die Basis für all das, was wir heute unter dem Kölner Karneval verstehen: Ein Maskenzug für den Rosenmontag, ein Ball im Gürzenich, Karnevalssitzungen und die Erlaubnis zum Verkleiden. Neben dem „Held Carneval“ tauchen Bauer und Jungfrau als stadtgeschichtliche Symbole immer wieder unabhängig in den Zügen auf. Ab 1883 bildeten sie zusammen mit dem neuen Oberhaupt, dem Karnevalsprinzen, eine Einheit im Kölner Karneval. Das Dreigestirn wie wir es heute kennen gab es dann ab 1937.

 

Kölsche Töne und die Pappnas

Nach einem umfangreichen Einblick in die Entstehung des Karnevals in Köln geht es weiter mit einem bunten Rundumschlag der vielseitigen Themen des Fastelovend: Von den Kostümen und den vielen Jahren des Rosenmontagszuges bis hin zur Musik im Kölner Karneval, den Karnevalsorden und dem historischen „Ballvergnügen im Gürzenich“. Der Karneval als Spiegel der Gesellschaft und Politik findet Betrachtung in den Stationen „Parodie aus der Bütt“ und der zum Rosenmontagszug.

Ab den 1930er-Jahren wurde der Höhepunkt des Kölner Karnevals als Rosenmontagszug gefeiert. Abgeleitet wird seine Benennung aber nicht von der gleichnamigen Blume, sondern von dem Wort „rasen“, also dem ausgelassen sein. Schon der erste Zug im Jahr 1823 war – auch wenn wesentlich kürzer und kleiner als der heutige Rosenmontagszug – eine Veranstaltung mit Pauken und Trompeten, für welche sich die Leute auf Dächern und in Fenstern rund um den Neumarkt versammelten. Dabei hat der Zug immer schon Bezug zu kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Ereignissen genommen und diese thematisiert.

Gleiches geschieht auch seit eh und je bei den Büttenreden. Aber was versteht man eigentlich genau unter der Bütt? In der Ausstellung erfahre ich, dass die Bütt ursprünglich eine Waschwanne ist, in der schmutzige Wäsche gewaschen wird. Und das erste Stehpult für eine Büttenrede gab es schon 1828. Hintergrund war dabei nicht nur, dass durch die Redner Land und Leute „durch den Kakao“ gezogen wurden, sondern auch der Wunsch, den Karneval zeitgemäß und demokratisch zu gestalten. Schon im Jahr 1843 setzte sich der Publizist und Vertreter der Demokratiebewegung Franz Raveaux für die politische Satire im Kölner Karneval ein.

 

 

Eine weitere Station gefällt mir besonders gut: „Kölsche Töne“. Denn ohne Musik gibt es natürlich kein Schunkeln und kein Karneval. Ein besonders traditionsreiches Lied wurde 1823 für die „Thronbesteigung des Helden Carneval“ komponiert und ging als „Nr. 1“ in die Sammlung kölnischer Karnevalslieder ein. Die für die Züge komponierten Melodien waren auch als „Bellentöne“ betitelt und wurden in den Folgejahren immer wieder neu zu den jeweiligen Karnevalsmottos mit einem passenden Text reformiert.

Beliebt wurden bald das gemeinsame Singen und auch die Marschlieder. Wer kennt nicht Lieder wie „Ein treuer Husar“ oder auch „Heidewitzka, Herr Kapitän“. Auch Klassiker wie „Ich möch zo Foß noh Kölle jon“ von Willi Ostermann wurden schnell zu beliebten Karnevalsliedern. Heute sind 15.000 Liedeinträge in der „Akademie för uns kölsche Sproch“ aufgelistet – kaum eine andere Stadt der Welt wird so vielfältig besungen wie unsere Domstadt. Notenblätter der historischen Bellentöne und auch welche von Willi Ostermann sind in der Ausstellung zu sehen.

 

„Jede Jeck is anders“

Bei der vorletzten Station „Wer soll das bezahlen?“ ist der Ohrwurm und die Lust auf’s Schunkeln ebenfalls vorprogrammiert. Überhaupt spielten Finanzen beim Karneval schon immer eine große Rolle und ließen die Kölner seit jeher kreativ werden: Vermietung von Fensterplätzen, der Verkauf von Karnevalskappen oder auch Briefpapier und Postkarten sind alte Traditionen. Zum Ende der Ausstellung werden die Besucher*innen aufgerufen, ihre eigenen Ideen zu der Frage „Was ist Karneval?“ festzuhalten. Denn dieser ist stetig im Wandel und kann für jeden Jeck etwas anderes sein.

Eine besondere Tradition hat jedoch schon lange Bestand und wird wohl so schnell nicht weichen: der Ausruf „Kölle Alaaf!“ Auf einem letzten historischen Ausstellungsstück ist dieser zu lesen. Es ist ein Bartmannskrug, wie ihn die Kölner im 16. Jahrhundert in ihrem Alltag genutzt haben. Der Ausruf meinte hier so viel wie: „Alles weg“ oder auch „Alles andere ist nicht so gut“ – stand also für etwas, an dem man viel Spaß hatte. Hättet Ihr’s gewusst?

 

Ich freue mich jetzt schon auf einen Besuch im neuen Kölnischen Stadtmuseum. Im Herbst eröffnet dies mit einer Ausstellung, welche die Geschichte der Stadt Köln in ihren unterschiedlichen Facetten erzählen wird. Da dürfen wir sicherlich gespannt sein. 😊

Photoszene Festival – Internationale Fotografie in Köln

Von |2023-05-17T10:27:36+02:0017.05.2023|Unterwegs|

Am 11. Mai 2023 ist in Köln erneut das Photoszene Festival an den Start gegangen. Somit steht der Mai in unserer schönen Domstadt wieder ganz im Zeichen der Fotografie. Insgesamt 400 nationale und internationale Foto-Künstler*innen sind in diesem Jahr vertreten. In über 80 Ausstellungen werden ihre Arbeiten an verschiedenen Orten der Stadt gezeigt. Gleichzeitig ist das Festival Plattform und Treffpunkt der Szene: Lust auf ein Künstlergespräch, Foto-Walk oder eine Vernissage? All das gibt es noch bis zum 21. Mai mit einem vielfältigen Festival-Programm!

Auch ich bin am großen Eröffnungswochenende auf dem Festival unterwegs und entscheide mich für den Besuch von zwei Ausstellungen: In meinem Veedel Ehrenfeld ist die Straßenfotografie in der Ausstellung „Mixtape“ Thema, das wollte ich mir definitiv genauer ansehen. Im Festivalzentrum des Rautenstrauch-Joest-Museums hingegen geht es in der eigens für das Festival konzipierten Sonderausstellung „Shall you Return Everything, but the Burden“ um Kamerun aus weiblicher Perspektive. Inhaltlich recht anspruchsvoll, in der Umsetzung aber spielend leicht und sehr kreativ!

 

Street Photography Mixtape: Foto-Sound und Inspiration

Warum nicht Straßenfotografie zum Anlass nehmen, um seine kindliche Begeisterung für die kleinen Dinge des Lebens wieder zu entfachen? Sich einfach mal auf seine Umgebung zu besinnen und nach Details und besonderen Momenten im Stadtraum Ausschau halten? Genau dies war das Thema der Ausstellung Street Photography Mixtape im Atelierzentrum in Ehrenfeld. Mit dem Satz: „Wir schauen immerzu auf die Uhr, aber kaum noch in die Welt“ werden Interessierte auf der Webseite der Ausstellung bereits inhaltlich eingestimmt.

 

Bilder der Ausstellung Mixtape in Köln Ehrenfeld

 

Zu sehen sind am ersten Festival-Wochenende die Fotoarbeiten von insgesamt 16 Fotograf*innen aus Köln und der Umgebung. Die meisten der Straßenszenen sind also in Köln entstanden, aber auch Aufnahmen aus anderen Städten der Welt lassen sich hier entdecken. Eines haben aber alle gemeinsam: Sie vermitteln eine ganz individuelle Sicht auf die Straße und inspirieren den Betrachtenden unmittelbar, genauer hinzusehen. Und dies sowohl mit Blick auf die Geschichte, die jedes einzelne Bild der Ausstellung erzählt, als auch auf das persönliche Umfeld.

Neben einer „Kölner Wand“ am Anfang des Ausstellungsraumes sind die Fotoarbeiten der Künstler*innen in mehreren Abschnitten des Atelierzentrums zu finden. Dabei ist schön zu sehen, wie jede*r einzelne von ihnen einen eigenen Stil – oder auch Sound – für die Straßenfotografie gefunden hat. Zusammen ein wunderbares „Mixtape“.

 

Artist meets Archive #3: Kamerun aus weiblicher Perspektive

„Gebt alles zurück – bis auf die Bürde“, so der deutsche Titel der Sonderausstellung von Künstlerin Lebohang Kganye im Rautenstrauch-Joest-Museum am Kölner Neumarkt. Als Teil der Reihe „Artists meets Archive“ ist die Ausstellung auf Grundlage von Archivdokumenten entstanden. Bereits zum dritten Mal hat die Internationale Photoszene in Köln in diesem Jahr die reichen Archivbestände der Stadt für das Festival genutzt. Gemeinsam mit den Künstler*innen werden so fotohistorische Spuren in thematisch passenden Ausstellungen erlebbar gemacht.

 

Screenhsot Webseite Phoroszene Festival, Ausstellung Lebohang Kganye

 

Bei Lebohang Kganye waren es die Fotografien und Zeichnungen der Künstlerin Marie Pauline Thorbecke. Diese machte sich gemeinsam mit ihrem Mann 1911 im Auftrag der Deutschen Kolonialgesellschaft für zwei Jahre zu einer Expedition nach Kamerun auf und hielt das Erlebte künstlerisch fest. Mit den gesichteten Spuren von Marie Pauline hat sich die südafrikanische Künstlerin Lebohang anlässlich des Festivals 110 Jahre später erneut auf die Reise in das zentralafrikanische Land gemacht. Die in der Ausstellung zu sehenden Kunstobjekte sind durch eine Verknüpfung zwischen den historischen Fotobeständen und Lebohangs Reiseerlebnissen entstanden. Es sind zwei Bausteine zu sehen: eine Videoinstallation und kleine bühnenbildartige Szenen.

Die im ersten Teil zu sehenden Mini-Bühnen erzählen auf den ersten Blick „typische“ Ansichten aus der kamerunischen Geschichte – auf den zweiten Blick sind die Inhalte jedoch mit der Gegenwart verknüpft. Gleiches geschieht bei der Videoinstallation, welche zu Beginn eine Aneinanderreihung von Zeichnungen auf digitalen Leinwänden ist. In dem daraus entstehenden Animationsfilm läuft dann jedoch eine Frau von links nach rechts durch die Szenen und verwandelt diese in Bewegtbilder. Es ist Lebohang Kganye selbst, mit schwerem Gepäck auf dem Rücken. Dieses symbolisiert die Bürde der kolonialen Vergangenheit. Wirklich toll umgesetzt!

 

Vorfreude auf weitere Kölner Foto-Tage

Mit dem kunterbunten Festival-Programm gibt es für Fotografie- und Kultur-Interessierte noch bis zum 21. Mai vielfältige Möglichkeiten zum Entdecken, sich austauschen und inspirieren lassen. Einige der Ausstellungen sind auch über die Festival-Tage hinaus noch zu sehen. Meine Favoriten für die nächsten Tage sind die Ausstellungen:

Ich bin gespannt… 😊 Der Eintritt ist bei den meisten Ausstellungen und Events frei!

 

Jahrestage: Ein Tag und ein Leben für das Tanzen

Von |2023-02-16T12:45:12+01:0016.02.2023|Unterwegs|

„Was bleibt vom Tanz, wenn der Vorhang sich geschlossen hat?“, so die ersten Worte des Ausstellungskurators Thomas Thorausch, welcher mir an einem Tag Mitte Februar 2023 eine kleine Einführung in die Ausstellung „Jahrestage“ gab. Zu meiner großen Freude stellte sich bald heraus, dass diese Jahresausstellung im Tanzmuseum des Deutschen Tanzarchivs Köln gleich mehrere künstlerische Ebenen beinhaltet, für die auch ich eine Leidenschaft habe: Fotografie, Literatur, Zeichnen, Musik, natürlich das Tanzen und auch die Geschichte und Philosophie des Lebens.

So beginnt die Ausstellung mit einem Zitat von Thomas Bernhard: „Alle leben mindestens drei Leben: ein tatsächliches, ein eingebildetes und ein nicht wahrgenommenes.“ – Worte, welche die Besucher*innen sicherlich erstmal ein wenig (über das eigene Leben) nachdenken lassen und auf das einstimmen, was sie in dieser Ausstellung erwartet.

 

Zitat von Thomas Bernhard im Tanzmuseum Köln

 

12 Geschichten von Tänzerinnen und Tänzern des 20. Jahrhunderts

Die Ausstellungen im Tanzmuseum finden einmal jährlich unter einem bestimmten Thema statt, welches durch ausgewählte Zeugnisse aus den reichhaltigen Beständen des Tanzarchivs entsteht. Kern der Ausstellung „Jahrestage“ sind Geschichten von Tänzer*innen des 20. Jahrhunderts, welche anhand eines besonderen Tages und übermittelten Dokuments erzählt werden. Dieser Tag steht dabei sowohl für den persönlichen Lebensweg als auch für die Geschichte des Tanzes.

Passend zu den 12 Monaten eines Jahres werden insgesamt 12 Geschichten in einer offenen und zugleich ineinander verwobenen Ausstellungsarchitektur präsentiert, welche viel Raum für Interpretationen lässt. So wundert es nicht, dass sich zwischen den einzelnen Geschichten der gezeigten Persönlichkeiten immer wieder Parallelen zeigen. Denn wie das Leben so spielt, können Geschichten und Wege in Raum und Zeit auf unterschiedliche Weise miteinander verbunden sein.

Eine große Gemeinsamkeit der 12 Tänzer*innen besteht zum Beispiel darin, dass sie sich auch durch Zeichnungen künstlerisch ausgedrückt und Ideen oder Erlebnisse in Notizen festgehalten haben. Zeugnisse dieser Ausdrucksformen sind ebenfalls Teil der Ausstellung.

Zeichnung und Worte von Tänzerin Käthe Wulff im Tanzmuseum Köln

 

Kleine Zeitzeugen und ausdrucksstarke Fotografie in Lebensgröße

Direkt zu Beginn des Ausstellungsraumes ist eine der bekanntesten deutschen Tänzerinnen auf einer lebensgroßen und ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Fotografie zu sehen: Mary Wigman. Mit ihrer Geschichte und dem Tag des 1. Septembers 1972 beginnt die Ausstellung. An diesem Tag ihrer Lebensgeschichte befindet Mary sich ein Jahr vor ihrem Tod an einem Ort, der für ihr Leben von großer Bedeutung war.

Ein kleines Foto von Mary ist Zeitzeuge dieses Tages und erzählt von ihrer Geschichte: Mary ist am Lago Maggiore in der Schweiz, von wo aus sie auf den Monte Verita blickt – den „Berg der Wahrheit“. Bereits mit 26 Jahren, 59 Jahre bevor dieses Bild entstand, ist Mary zum ersten Mal an diesen Ort gereist. Als junge Frau wusste sie bereits, dass sie nicht heiraten oder Kinder kriegen wollte – nur eins wollte sie ganz sicher: Tanzen. Der Ort Monte Verita war damals Treffpunkt von Künstlern und alternativen Bewegungen, also Menschen, die etwas anders machen wollten.

Im Sommer 1913 trifft Mary hier den Tanzreformer Rudolf von Laban, über dessen Begegnung sie sagte: „Es war, als käme ich nach Hause“. Die Tänzerin findet an diesem Ort ihren Weg und kehrt auch später immer wieder zum Monte Verita zurück. Mary Wigman wurde zur Mitbegründerin des Ausdruckstanzes und das Foto des Tages im Jahr 1972 ein Sinnbild für ihre Lebensgeschichte.

Porträt von Mary Wigman im Tanzmuseum Köln

Bild von Mary Wigman am Lago Maggiore. Quelle: Deutsches Tanzarchiv Köln

 

Die Geschichte der kleinen Tänzerin Lucy

Es folgen elf weitere Geschichten, welche die Geschichte des Tanzes und persönliche Lebenswege und Anekdoten erzählen. Geprägt sind sie alle von Aufbruch und Euphorie – aber auch von Zeiten der Krise, persönlichen Schicksalsschlägen und Ernüchterung.

Eine dieser Geschichten hat mich besonders berührt: das Schicksal von Lucia Dorothea Burkiczak. Nach der Scheidung ihrer Eltern wurde sie, wie zur damaligen Zeit üblich, zusammen mit ihren beiden älteren Schwestern für eine Weile in die Ducan-Schule mit dazugehörigem Internat gegeben. Im Gegensatz zu ihren Geschwistern kehrte das lebhafte und etwas schwierige Kind jedoch nicht wieder nach Hause zu ihrem Vater und der neuen Frau zurück.

Die Tanzschule der damals modernsten Tänzerinnen Isadora und Elizabeth Ducan wurde also das neue Zuhause der erst fünfjährigen Lucy. Eine gezeigte Postkarte vom 17. November 1927, auf der die zu diesem Zeitpunkt zehnjährige Lucy an ihren Vater schreibt, steht für ihre Geschichte. Lucia wurde Tänzerin – und bereits als Kind als „hüpfende Lucy“ der Duncan-Schule bekannt. Archivdokumente zeigen aber auch, dass sie als erwachsende Frau etwas anders an die Zeit im Internat zurückgedacht hat und ihr vor allem ein fehlendes Gefühl von Geborgenheit geblieben war. So war das Tanzen für die junge Lucy in jenen Jahren eine große Stütze – aber auch ein Ausdruck von Einsamkeit.

Bild der jungen Tänzerin Lucy im Tanzmuseum Köln

 

Drei Bücher und ein Film aus der Tanzgeschichte

Ergänzt werden die 12 Geschichten von einer weiteren Säule der Ausstellung: Neben der in rot-grün gestalteten Ausstellungsarchitektur finden sich drei Bücher auf kleinen gelben Aufstellern. Der Inhalt dieser Bücher könnte passender nicht sein, denn sie erzählen Lebensgeschichten des Tanzes – genauer, das Leben von drei Tänzerinnen. Zu sehen sind Seiten eines Romans über eine Tänzerin in Paris von Ernest Blum (1861), eines Buches über die jung verstorbene Tänzerin Hilde Strinz (1928) und die der Biografie „My Life“ von Isadora Duncan (1927).

Einblick in das Buch der Biografie von Isadora Duncan

 

Zum Ende hin wird die Ausstellung mit weiteren Elementen aus der Tanz- und Musikgeschichte abgerundet: Zu sehen ist der Kurzfilm „Dancing Under the Dustcover“, welcher von einer älteren Tänzerin handelt, die schon in jungen Jahren ihre Ideen, Tänze und Erfahrungen in einer Art Workbook festgehalten hat. Dieses Buch war Ausgangspunkt des experimentellen Films und spiegelt noch einmal die vielen künstlerischen Ebenen des Tanzes und auch dieser Ausstellung wider.

Sehr schön finde ich zudem einen Textauszug des Beatles-Songs „A Day in the Life“ – ein Tag im Leben. Die Zeilen aus diesem Song sind, wie schon das Zitat von Thomas Bernhard zu Beginn der Ausstellung, auf einem Spiegel auf dem Boden zu lesen. So kann jede*r beim Betrachten dieser Worte auch immer sich selbst sehen und reflektieren.

Zitat der Beatles Songs "A Day in the Life" im Tanzmuseum des Deutschen Tanzarchivs

 

Insgesamt habe ich durch die Ausstellung nicht nur einen tollen Einblick in die Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts gewonnen, sondern auch wirklich bewegende Lebensgeschichten kennengelernt, die auch im Nachgang noch einige Anreize zum Philosophieren geschaffen haben.

 

Eine „Bühne“ für den Tanz im Kölner Mediapark

Dass das Tanzmuseum heute als eine Art Theaterbühne des dazugehörigen Archivs im Kölner Mediapark bestehen kann, ist ein großes Glück. Als Ersatz für das ursprünglich in Berlin ansässige und im zweiten Weltkrieg zerstörte Deutsche Tanzarchiv, baute der Tänzer und Pädagoge Kurt Peters (1915-1996) das Archiv ab 1948 zunächst als Privatsammlung in Hamburg neu auf.

Im Jahr 1985 wurde die Sammlung dann von der SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn erworben und in gemeinsamer Trägerschaft mit der Stadt Köln fortgeführt. Durch den Bau des Mediaparks entstand die Möglichkeit, in den neuen Räumlichkeiten eine Art Schaufenster des Archivs zu schaffen und das Tanzmuseum zu eröffnen. Das Deutsche Tanzarchiv ist heute mit einem Bestand von über 500 Nachlässen von Tänzer*innen, Choreograf*innen und Kritiker*innen eines der bedeutendsten Archive zur Geschichte des Tanzes im deutschsprachigen Raum.

Wer die aktuelle Ausstellung „Jahrestage“ gerne besuchen möchte, hat nach den Karnevalstagen noch vom 23.-26. Februar 2023 die Möglichkeit. Ab dem 29. April 2023 folgt die nächste Ausstellung unter dem Titel „Irgendwas fehlt immer! Vom Sammeln und Bewahren.“

 

Coldplay-Tribute: Klaviermelodien und Kerzenlicht

Von |2022-12-20T20:21:17+01:0020.12.2022|Unterwegs|

Weihnachtszeit ist besinnliche Zeit. Warum also nicht mit ein bisschen Kultur dem vorweihnachtlichen Trubel etwas entgehen? Genau richtig war hier das Coldplay-Klavierkonzert am 15. Dezember 2022 in der Trinitatiskirche in Köln. Als Liebhaberin von Klaviermusik und der Band Coldplay erfüllte mich diese Kombination auf Anhieb mit viel Freude. On top sollte das Konzert bei Kerzenschein stattfinden – umso besser!

 

Ein glücklicher Treffer bei Social Media

Auf das Konzert aufmerksam wurde ich tatsächlich über eine Facebook-Anzeige. So zeigt sich, dass die Zielgruppen-Analysen und Algorithmen des sozialen Netzwerks durchaus etwas sehr Positives bewirken können. Das Klavierkonzert in der Trinitatiskirche war eines der Candlelight-Konzerte des Veranstalters fever, dessen Anzeige sofort meine Aufmerksamkeit hatte. Auch wenn die weltweit stattfindenden Konzerte bei näherem Hinschauen etwas kommerziell wirken, habe ich spontan zwei Tickets gekauft und war sehr gespannt auf den Abend.

 

Besinnliche Stimmung nach einer aufregenden Anreise

Da ich und meine Begleitung etwas spät in Ehrenfeld gestartet sind, ist der Weg zum Konzert erstmal ein wenig turbulent. Wir mussten unbedingt vor Konzertstart da sein, denn danach war kein Einlass mehr möglich. Gar nicht so einfach, in der Adventszeit in Köln schnell irgendwohin zu kommen. Doch trotz überfüllter KVB, schaffen wir es noch rechtzeitig zu unseren Plätzen in der Trinitatiskirche. In dem mit großen LED-Kerzen gefüllten Raum dauert es dann nicht lange, bis die besinnliche Vorfreude auf das Konzert uns wieder hat.

 

Klavierkonzert zu Coldplay Songs in der Trinitatiskirche in Köln

 

Coldplay-Klassiker zur Weihnachtszeit

Die ersten Klaviertöne des Songs Clocks erfüllen dann in eindrucksvoller Weise den Kirchenraum. Die Klaviermelodie zieht das Publikum sofort in ihren Bann und es herrscht ansonsten völlige Stille. Aufmerksam folgen wir der virtuosen Darbietung des Pianisten Giorgos Fragos. Nach diesem ersten Stück richtet der Pianist ein paar Worte an die Besucher*innen und erklärt den Ablauf des gut einstündigen Konzerts.

Es folgen vier Trios von Coldplay-Songs, welche ineinander übergehend gespielt werden. Der Klang des Flügels im Altarraum der Trinitatiskirche ist beeindruckend, die bekannten Songs wirken in den Klavierversionen vertraut und dennoch zum Teil überraschend anders. Gespielt werden:

Don’t Panic – Speed of Sound – Trouble
Fix you – Paradise – In my place
Adventure of a Lifetime – Hymn of the Weekend – Yellow
The Scientist – Sky Full of Stars – Viva la Vida

Nach einem kleinen Applaus zu jeder der knapp 15 Minuten andauernden Komposition folgt eine weitere Ansprache des Pianisten zu den darauffolgenden Stücken. Am meisten beeindruckt haben mich die Klavierversionen von The Scientist und A Sky Full of Stars im letzten Block.

Die Darbietung von The Scientist ließ sofort eine sehr emotionale Stimmung aufkommen, welche uns in dem mit Kerzenlicht ausgeleuchteten Kirchenraum noch einmal mehr einfängt. Die kraftvollen Klaviertöne von A Sky Full of Stars hingegen gehen gefühlt weit über den Kirchenraum hinaus, der Coldplay-Song wird von Giorgos Fragos wirklich virtuos gespielt.

 

Kerzen in der Trinitatiskirche in Köln

 

Ein Weihnachtssong zum Advent?

Das vorab veröffentlichte Line-up des Konzerts ließ bereits vermuten, dass sich die gespielten Stücke besonders auf die sehr bekannten Klassiker der Band Coldplay konzentrieren – und genauso war es. Das finde ich zu dieser besonderen Jahreszeit etwas schade, gefreut hätte ich mich zum Beispiel über die Coldplay-Weihnachtssongs Christmas Lights oder 2000 Miles.

Von der Auswahl der Stücke ganz abgesehen, lässt das Konzert an diesem Abend aber keine Wünsche offen. Die tolle Akustik in der Trinitatiskirche und die Umsetzung des Klavierkonzerts bei Kerzenschein gehen unter die Haut und sorgen für ein wunderschönes Konzerterlebnis. Auch über eine kleine Zugabe dürfen wir uns freuen – gespielt wird eine Klavierversion von Queen als letzter Song des Abends.

Eine wirklich schöne Erinnerung an die Weihnachtszeit 2022. 😊

 

 

„Stolpersteine NRW“: Geschichte lokal und digital

Von |2022-12-07T10:06:17+01:0026.10.2022|Digitalkultur|

In Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit sind bis dato fast 100.000 Stolpersteine in Europa verlegt worden. Allein in Nordrhein-Westfalen sind es aktuell 15.909 (Stand 26.10.2022) – und jeder einzelne davon erinnert an das Schicksal eines Menschen, welcher von den Nationalsozialisten ermordet wurde.

Die ersten in Deutschland eingelassenen Stolpersteine verdanken wir dem Künstler Gunter Demnig, welcher sein Projekt in den 1990er Jahren – zuerst mit kleineren Aktionen – in Köln gestartet hat. Gunters Anliegen war es, mit jedem der Stolpersteine einem Menschen zu gedenken und diesem an seinem letzten frei gewählten Wohnort Namen und Erinnerung zurückzugeben. Auf seiner Webseite hat der Künstler die Vorgehensweise und Hintergründe erklärt.

 

WDR: „Ein Projekt gegen das Vergessen“

Dass bei den mittlerweile fast 16.000 Stolpersteinen allein in NRW der Überblick etwas verloren gehen kann, ist nicht verwunderlich. Umso besser, dass mit der App „Stolpersteine NRW“ das einst von Gunter Demnig initiierte Projekt im Jahr 2022 durch den WDR überschaubar ins Digitale übertragen wurde. Sowohl auf einer dazugehörigen Webseite als auch in der App können sich User*innen innovativ und interaktiv über das Thema Nationalsozialismus informieren.

In einer interaktiven Kartenfunktion ist jede einzelne der kleinen Gedenktafeln aus Messing hinterlegt, wodurch die Nutzer*innen leicht zu einem beliebigen Standort in NRW navigieren und digital die vielen Stolpersteine in den Städten und Gemeinden erkunden können.

 

Geschichte von zuhause aus entdecken

So ist durch die Digitalisierung des WDR die Möglichkeit geschaffen worden, die Geschichte der Stolpersteine ortsunabhängig nachzuempfinden. Zudem wurde hierdurch aber auch ein zusätzlicher (digitaler) Baustein der Erinnerung geschaffen, welcher auch in Zukunft die vielen Schicksale der NS-Zeit nicht in Vergessenheit geraten lässt. Für ein virtuelles Eintauchen in die Geschichte der Stolpersteine sorgen zudem biografische Texte, Illustrationen und auch historische Fotos. So können sich Interessierte auch von zuhause aus auf eine – wenn auch thematisch bedrückende – Reise in die Vergangenheit machen.

 

„Stolpersteine NRW“ App bringt Vergangenheit ins Hier und Jetzt

Nach dem Runterladen der App gelange ich direkt zu der interaktiven Kartenfunktion, in welcher mir eine (etwas erschreckende) Vielzahl an Stolpersteinen in meiner Umgebung angezeigt wird. So liegt es auf der Hand, das Digitale mit der Vor-Ort-Erkundung zu verbinden, wozu die App sogar eine Routen-Funktion anbietet.

Screenshot der App Ansicht Stolpersteine NRW

Screenshot der interaktiven Kartenfunktion in der App „Stolpersteine NRW“.

 

Gesagt, getan. Spontan ziehe ich los und erkunde einige Stolpersteine in meinem Veedel Köln-Ehrenfeld. Im wahrsten Sinne des Wortes „stolpere“ ich dabei etwas. Denn die Erkundung dieser kleinen Steine und Zeitzeugen der Geschichte ist wirklich bewegend. Zum einen durch die einzelnen Schicksale, welche sich hinter jeder der Messingtafeln verbergen. Zum anderen bin ich aber auch erstaunt, wie häufig ich schon an diesen Orten vorbeigelaufen bin – ohne die Gedenktafeln zu registrieren. Tatsächlich wird die Positionierung der Stolpersteine auf den Gehwegen kontrovers diskutiert, da das häufige „Darüberlaufen“ als unschön angesehen wird. Für mich stellt sich jedoch die Frage, ob eine Anbringung z.B. an den Hauswänden mehr Beachtung finden würde.

In der Leostraße entdecke ich die Stolpersteine von Gertrud und Alexander Buscher. Wie bei allen Stolpersteinen ist ihr Geburtsjahr und das Jahr ihrer Deportation zu lesen. Über den Zeitpunkt ihres Todes scheint nichts bekannt zu sein. Dennoch wird deutlich, dass das Ehepaar 1942 aus Ehrenfeld nach Minsk gebracht und ermordet wurde.

 

Stolpersteine in der Leostraße, Köln Ehrenfeld

 

Auch wenn die Hintergründe sehr erschütternd sein können, finde ich die digitale Umsetzung der Stolpersteine App und die damit verbundene Möglichkeit – sei es NRW-weit oder lokal, digital oder vor Ort – die Geschichte der Stolpersteine zu entdecken, ziemlich gut gemacht und wichtig. Durch das digitale Format sind sowohl das Thema als auch die Orientierung leicht verständlich und für alle zugänglich.

Neben der großen Bedeutung der Überbringung von Geschichte – auch für die nächsten Generationen – wird den Nutzer*innen zudem nahegelegt, einige Ecken der Veedel mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten und auch im Alltag ein bisschen genauer hinzuschauen.

Kölnisches Stadtmuseum digital – Interview mit Wibke Becker

Von |2022-06-21T10:48:42+02:0020.06.2022|Digitalkultur|

Das Kölnische Stadtmuseum zieht ins ehemalige Modehaus Franz Sauer und ist aufgrund dieses Umzuges zurzeit geschlossen. Um die Besucher*innen trotzdem auf dem Laufenden zu halten, ist das Museum digital unterwegs. Wibke Becker, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, spricht im Interview über die Herausforderungen und Besonderheiten.   

Liebe Frau Becker, freuen Sie sich auf den neuen Standort? Mit welchen „Highlights“ dürfen die Besucher*innen rechnen? 

Ich freue mich sehr auf den neuen Standort! Die Lage ist klasse und wir werden sicherlich vom Laufpublikum profitieren. Besonders gut gefällt mir die leichte, elegante Architektur des Hauses, auch wenn es für ein Museumsgebäude sehr speziell ist. Die Bauart hat eine ganz eigene Sprache. Es ist eine tolle Chance für uns, sich komplett neu aufzustellen.  

Unser neuer Standort ist wesentlich kleiner als zuvor. Unsere Besucher*innen können sich auf eine konzentrierte Darstellung der Stadtgeschichte freuen. Wir werden ein völlig neues Ausstellungskonzept präsentieren, indem wir den Besucher*innen in seiner normalen Alltags- und Gefühlswelt abholen. Die Ausstellung wird sehr modern, aber natürlich werden auch weiterhin unsere großen Schätze wie zum Beispiel der Vis-a-Vis, das älteste in Köln gebaute Automobil, oder das mittelalterliche Stadtsiegel ausgestellt.  

Bis zur Neueröffnung ist das Museum digital unterwegs. Was machen Sie hier genau?  

Wir bespielen die gängigen Social-Media-Kanäle wie Instagram, Facebook, YouTube und Twitter. Außerdem verfügt unsere neue Homepage über eine Mediathek und einen Blog.
Jeden Tag veröffentlichen wir Geschichten aus der Vergangenheit für unsere Follower*innen, werfen aber auch immer wieder einen Blick auf aktuelle Themen. Die Inhalte sind abwechslungsreich und modern gestaltet, so kommen wir auch digital unserem Bildungsauftrag nach.  

Welchen Herausforderungen muss sich das digitale Museum stellen?  

Es ist eine Herausforderung, jeden Tag neuen Content zu produzieren. Bei Ausstellungen ist das anders: Wenn sie einmal steht, dann steht sie auch erst mal ein halbes Jahr! 😊  Gleichzeitig müssen wir die Social-Media-Inhalte zielgruppengerecht aufbereiten, da jeder Kanal eine andere Zielgruppe hat. Auf Facebook wenden wir uns beispielsweise an die Besucher 50+, wohingegen Instagram die junge Zielgruppe abholt. Twitter wiederum spricht Journalisten und andere Häuser an. Dazu kommt noch der Algorithmus, der uns auch immer wieder vor neue Aufgaben stellt.  

Im Kern müssen wir immer aktiv und up to date sein, mit den Fragen im Fokus: Welche Trends sind angesagt? Was wollen die Leute? Was will unsere Zielgruppe?  

Welche Besonderheiten fallen Ihnen online im Bereich Kultur auf?  

Mich begeistert der Austausch zwischen den Museen. Es ist nicht das klassische Konkurrenzdenken, ganz im Gegenteil. Wir tauschen uns sehr viel aus und werden von anderen Museen häufig angeschrieben. Der Austausch ist immer sehr inspirierend. 

Außerdem beobachte ich, dass gerade historische Museen mutige und moderne Formate umsetzen. Viele Kunstmuseen sind dagegen beispielsweise klassisch unterwegs. Wir gehen andere und frische Wege, aber dadurch bekommen wir auch die Möglichkeit, ein junges Publikum zielgerichtet anzusprechen.  

Visualisierung des zukünftigen Foyers (Visualisierung neo.studio neumann schneiderarchitekten)

Wie ist die Resonanz auf den Kanälen?  

Sehr positiv. Wir haben einen sehr aktiven Austausch mit unseren Followern. Da kann ich insbesondere Facebook hervorheben. Es ist schön zu sehen, dass sich die Arbeit in unsere Kanäle auszahlt. Unsere Follower*innen sind sehr dankbar für die umfassenden Informationen. Die sozialen Netzwerke ermöglichen einen intensiven, direkten Austausch mit den Museumsbesucher:innen. Wir bekommen unmittelbares Feedback, das ist wirklich toll.  

Führen Sie das digitale Museum nach der Neueröffnung fort?  

Auf jeden Fall! 😊 Wir waren auch vor der Schließung online unterwegs und werden das auch in Zukunft beibehalten. Unser studentisches Infoteam unterstützt uns hier enorm, ohne sie wäre das auch nicht möglich. Sie sind federführend an dem Projekt beteiligt und wissen als „Digital Natives“ genau, was die Follower*innen sehen wollen. Davon profitieren wir sehr und ich bin für ihre Unterstützung sehr dankbar.  

Wir freuen uns, dass wir das Kölnische Stadtmuseum im Rahmen der neuen Website unterstützen konnten und wünschen schon jetzt für die Neueröffnung viel Erfolg. 


Beitragstitelbild: das Gebäude von außen (Foto: C. Ehrchen)

Im Spielrausch – eine Ausstellung über Computerspiele und ihre Ähnlichkeit zum Theater

Von |2020-07-14T12:44:46+02:0008.01.2018|Digitalkultur|

Das Museum für angewandte Kunst Köln (MAKK) glänzt zurzeit damit, als eines der wenigen Museen hierzulande eine Ausstellung über Computerspiele zu präsentieren. Obwohl das Medium nach einer zwischenzeitlichen Phase, in der es in die Zimmer männlicher Jugendlicher verbannt war (so zumindest der Ruf), wieder in die Wohnzimmer (beinahe) aller gesellschaftlichen Schichten avanciert ist, trifft es in Museen auf erstaunlich wenig Aufmerksamkeit. (mehr …)

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